50 Jahre Teilung Zyperns – Was geht auf der Insel vor sich?
Im Juli 1974 putschten griechische Nationalisten gegen die zyprische Regierung. Der Putsch scheiterte, woraufhin türkische Truppen in den Norden Zyperns einmarschierten – seitdem ist die Insel geteilt.
Seit der Unabhängigkeit Zyperns von Großbritannien im Jahr 1960 ringen die griechischen und türkischen Bevölkerungsgruppen um die Kontrolle der Insel. Der Konflikt erreichte 1974 seinen Höhepunkt: Nach einem gescheiterten Militärputsch griechischer Zyprer gegen die Inselregierung, kam es am 20. Juli zur Invasion türkischer Truppen im Norden der Insel. Seither ist Zypern politisch und territorial geteilt. Die Türkische Republik Nordzypern wird nur von der Türkei anerkannt und international als Teil der Republik Zypern betrachtet. Die Wurzeln des Konflikts reichen weit zurück.
Seit 1570 gehörte Zypern zum Osmanischen Reich. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs annektierte Großbritannien die geostrategisch günstig gelegene Insel und machte sie 1925 offiziell zu einer ihrer Kronkolonien. Die Bevölkerung Zyperns war aufgrund ihrer geographischen Lage jedoch schon immer griechisch wie auch türkisch geprägt. Am Ende des Ersten Weltkriegs und des griechisch-türkischen Kriegs (1919 bis 1922) erkannte die 1923 gegründete Republik Türkei die britische Annexion im Friedensvertrag von Lausanne an und verzichtete formell auf Zypern.
Der schwierige Weg in die Unabhängigkeit
Im Laufe der 1920er-Jahre wuchs bei vielen griechischen Zyprern der Wunsch nach „Enosis“ – der Vereinigung mit Griechenland. Das Vereinigte Königreich hielt an der Kolonie fest und schlug 1931 einen Aufstand der griechisch-zyprischen Bevölkerung nieder. Demgegenüber stand das Interesse der türkischen Zyprer – zunächst ging es ihnen um die Beibehaltung des Status Quo, zunehmend kämpften sie für die sogenannte „Taksim“ (Teilung).
Zu dieser Zeit bildeten sich auf beiden Seiten bewaffnete Untergrundorganisationen. Die „Nationale Organisation zypriotischer Kämpfer“ (EOKA), die einen Anschluss an Griechenland befürwortete, leistete gewaltsam Widerstand gegen die Briten. Die Türkei baute eine paramilitärische Gegenorganisation (zunächst VOLKAN, später TMT) zum griechisch-zyprischen Pendant auf. Die Briten duldeten diese, da sie die Strategie verfolgten, beide Bevölkerungsgruppen gegeneinander auszuspielen.
Gründung der Republik Zypern und türkische Invasion
Nachdem Zypern Ende der 1950er-Jahre seine geostrategische Bedeutung für Großbritannien verloren hatte, wurde Zypern am 16. August 1960 in die Unabhängigkeit entlassen. Im Londoner Garantievertrag vom Februar 1959 einigten sich das Vereinigte Königreich, Griechenland und die Türkei auf die Unabhängigkeit Zyperns. Einen Monat später trat die Republik Zypern den Vereinten Nationen (UN) bei. Die Unabhängigkeit brachte keine Lösung der innerzyprischen Probleme. Der Konflikt schwelte weiter, während die Garantiemächte ihre Militärstützpunkte auf Zypern beibehielten.
Als 1963 der griechisch-zyprische Erzbischof Makarios III. als erster gewählter Präsident des Landes mit einer Verfassungsänderung die politischen Minderheitsrechte der türkischen Zyprer beschneiden wollte, erreichte der Konflikt eine neue Eskalationsstufe. In den bürgerkriegsähnlichen Kämpfen zwischen radikalen Parteien beider Bevölkerungsgruppen in den Jahren 1963/1964 starben mehrere Hundert Menschen. Im März 1964 entsandten die Vereinten Nationen eine Friedenstruppe (UNFICYP), die bis heute auf der Insel stationiert ist.
Militärputsch und Invasion türkischer Truppen
Kurz vor dem Eintreffen der UN-Soldaten kündigte die Türkei die Invasion Zyperns an, die nur durch den Druck der USA gegenüber der türkischen Regierung verhindert werden konnte. Nachdem 1967 in Griechenland eine Militärjunta die Macht übernahm, sank der Zuspruch für einen Anschluss an das Festland bei vielen griechischen Zyprern deutlich. Präsident Makarios III. setzte nun stattdessen auf ein demokratisches und von Griechenland entflochtenes Zypern.
1974 putschten griechisch-zyprische Offiziere mit Unterstützung der griechischen Militärjunta gegen Makarios III. und brachten Zypern für einige Tage unter ihre Kontrolle. Die Türkei reagierte mit der Umsetzung ihrer Invasionspläne, um aus ihrer Sicht eine Annexion durch Griechenland zu verhindern. Am 20. Juli 1974 landeten türkische Truppen auf Zypern. Drei Tage nach der Invasion stürzte in Athen die Militärjunta und in Griechenland kehrte eine zivile Regierung an die Macht zurück. Auch der von den Putschisten eingesetzte griechische Nationalist Nikos Sampson konnte sich in Zypern nicht an der Macht halten.
Die Türkei weitete indes ihre Militäroperation in Zypern aus und nahm zwischen dem 14. und 16. August 1974 den Norden der Insel ein. Das besetzte Gebiet macht beinahe 40 Prozent der Inselfläche aus. Fast alle der rund 162.000 griechischen Zyprer flohen aus dem Norden in den Süden oder wurden vertrieben. Zugleich flohen fast alle der rund 48.000 türkischen Zyprer, die damals im Süden lebten, in den Norden. Dies führte zu einer ethnischen Teilung der Insel.
In einem Waffenstillstandsabkommen wurde noch im gleichen Jahr eine Demarkationslinie festgelegt, die die Insel seither teilt. Das Mandat der UN-Mission wurde in der Folge auf die Überwachung dieser „Green Line“ ausgeweitet. Eine Reihe von Lösungsvorschlägen verschiedener Staaten oder der Vereinten Nationen scheiterten. Am 15. November 1983 rief das türkische Parlament der besetzten Nordteile die Türkische Republik Nordzypern aus.
Aktuelle Situation
Bis heute sind die Positionen zwischen den beteiligten Parteien in der Teilungsfrage verhärtet. Neben der türkischen Regierung spricht sich auch der nordzyprische Präsident Ersin Tatar, der seit 2020 im Amt ist, für eine „Zweistaatenlösung“ aus. Die Republik Zypern – wie auch UN und EU – strebt dagegen eine Föderation mit zwei Bundesstaaten an. Zyperns Präsident Nikos Christodoulides gewann die Wahl im vergangenen Jahr unter anderem mit dem Bestreben, die Wiedervereinigung voranzutreiben – jedoch zeigen beide Seiten in zentralen Punkten wenig Kompromissbereitschaft.
Ganz Zypern ist seit 2004 Mitglied der EU. In der andauernden Situation gilt das EU-Recht jedoch nur in der Republik Zypern. Die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wurden 2005 aufgenommen. Der Zypernkonflikt bleibt ein Streitpunkt.
Konflikte um fossile Rohstoffe, wie beispielsweise Erdgasvorkommen im Mittelmeer, aber auch die geografische Nähe Zyperns zu militärischen Konfliktregionen, wie beispielsweise aktuell im Nahen Osten, erhöhen fortwährend die Bedeutung der geostrategischen Lage der Insel.
Die Rolle internationaler Akteure
Die internationale Gemeinschaft spielt eine entscheidende Rolle im Zypernkonflikt. Die Vereinten Nationen (UN) sind seit den frühen 1960er Jahren auf der Insel präsent. Die UNFICYP-Friedenstruppe, die nach den Unruhen von 1963/64 eingerichtet wurde, überwacht bis heute die Pufferzone zwischen Nord- und Südzypern. Verschiedene UN-Generalsekretäre haben im Laufe der Jahre Vermittlungsversuche unternommen, um eine Lösung zu finden, jedoch bisher ohne dauerhaften Erfolg.
Die Europäische Union (EU) hat ebenfalls einen erheblichen Einfluss auf den Konflikt. Seit der EU-Beitritt der Republik Zypern im Jahr 2004 gilt das EU-Recht nur im südlichen Teil der Insel. Dies hat zu zusätzlichen Spannungen geführt, da die Nordzyprer von vielen Vorteilen der EU-Mitgliedschaft ausgeschlossen sind. Gleichzeitig hat die EU die Verhandlungen mit der Türkei über einen möglichen EU-Beitritt teilweise aufgrund des ungelösten Zypernkonflikts blockiert.
Die wirtschaftliche Dimension
Ein weiteres Spannungsfeld ist die Frage der Ressourcenverteilung, insbesondere die Entdeckung von Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer. Sowohl die Republik Zypern als auch die Türkei beanspruchen Teile dieser Ressourcen für sich. Dies hat zu mehreren Zwischenfällen geführt und die Spannungen in der Region weiter verschärft. Eine Einigung über die Nutzung der Erdgasvorkommen könnte jedoch auch als Katalysator für eine breitere politische Lösung dienen, wenn beide Seiten wirtschaftliche Vorteile daraus ziehen.
Gesellschaftliche Perspektiven
Auf gesellschaftlicher Ebene gibt es immer wieder Initiativen, die auf eine Annäherung der beiden Bevölkerungsgruppen abzielen. Viele Zyprer, sowohl im Norden als auch im Süden, wünschen sich eine friedliche Lösung des Konflikts und eine Wiedervereinigung der Insel. Verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen arbeiten daran, den interkulturellen Dialog zu fördern und Vorurteile abzubauen.
Bildungsprojekte und kulturelle Austauschprogramme spielen hierbei eine wichtige Rolle. Auch das gemeinsame Interesse an der wirtschaftlichen Entwicklung und Stabilität der Insel könnte langfristig zu einer Annäherung beitragen. Die jüngere Generation, die den Konflikt nicht mehr aktiv erlebt hat, zeigt oft eine größere Offenheit gegenüber einer friedlichen Lösung.
Zukunftsperspektiven
Die Zukunft des Zypernkonflikts ist schwer vorherzusagen. Ein nachhaltiger Frieden erfordert Kompromissbereitschaft und Vertrauen auf beiden Seiten sowie die Unterstützung internationaler Akteure. Die jüngsten Entwicklungen, wie der erneute Fokus auf die Zweistaatenlösung durch den nordzyprischen Präsidenten Ersin Tatar und die weiterhin bestehende Forderung nach einer Föderation seitens der Republik Zypern, zeigen jedoch, dass ein Konsens noch in weiter Ferne liegt.
Ein möglicher Weg könnte in einer schrittweisen Annäherung liegen, bei der zunächst praktische und wirtschaftliche Fragen gelöst werden, bevor die politisch heikleren Themen angegangen werden. Vertrauensbildende Maßnahmen, wie der weitere Ausbau von Handelsbeziehungen und gemeinsamen Projekten, könnten hier einen wichtigen Beitrag leisten.